Trost spenden – Seelsorge bieten. Das gehört zu den Grundaufgaben eines jeden Pfarrers, der sich ja auch in der Regel primär als Seelsorger versteht. Das gilt vielfach auch für Sonderpfarrämter. Aber was hat etwa ein „Flughafen- und Messe-Pfarrer“ zu tun. Ein solches Amt hat Dieter Kleinmann in Stuttgart inne, und darüber berichtete er bei den „Jungen Senioren“ im Hans-Rießer-Haus.
Am Tag nach dieser Vortragsveranstaltung steht für Kleinmann ein besonderer Gottesdienst an Dienstag, 31. März, 10.53 Uhr – exakt eine Woche nach der Flugzeugkatastrophe in den französischen Südalpen, als beim Absturz des Germanwings-Airbus A320 alle 150 Personen ums Leben kamen. Die Lufthansa und ihre Tochtergesellschaft haben sich für den Airport Stuttgart einen Gedenkgottesdienst gewünscht – für die Mitarbeiter und die zu dieser Zeit verfügbaren Piloten und Flugbegleiter, von denen ja viele ihre nun toten Kollegen von der Crew der Unglücksmaschine gekannt haben. Also ein stiller interner Gedenk- und Trost-Gottesdienst, zur Verarbeitung von Schock und Schmerz – Eine überraschende und schreckliche Brisanz für den Vortragstermin also.
Dieter Kleinmann, Jahrgang, 1953 in Stuttgart geboren, Pfarrer, Diplom-Volkswirt, FDP-Politiker. Nach dem Studium der Theologie und der Wirtschaftswissenschaften wurde er Gemeindepfarrer der Württembergischen Landeskirche, war lange Jahr Gemeinderat in Plüdershausen und Kreisrat im Landkreis Rottweil, von 1996 bis 2011 Landtagsabgeordneter. Seit 1. April 2012 ist Kleinmann in Doppelfunktion Pfarrer des Flughafens und der Messe Stuttgart im Auftrag der Kirchlichen Dienste der evangelischen Landeskirche Württemberg Wie Kleinmann darlegte, sind auf dem Flughafen in Stuttgart-Echterdingen, seit 1939 Flugfeld und heute sechstgrößter Airport Deutschlands („sogar mit 20 Millionen € Jahresgewinn“) 9500 Mitarbeiter/innen aus 95 Nationen von 250 Firmen beschäftigt und werden jährlich 9,75 Millionen Passagiere abgefertigt. Mit dem benachbarten (neuen) Gelände der Stuttgarter Messe, bei der es 270 ständige Beschäftigte und 100 Messetage im Jahr gibt, entsteht eine Begegnungsmöglichkeit mit jährlich 15 Millionen Menschen.
Zwar ist Kleinmanns Sonderpfarramt in erster Linie als Seelsorgestelle der Belegschaft von Flughafen und Messe gedacht, für die er in regelmäßigen Abständen Gottesdienste in einer eigenen, „nicht ganz leicht zu erreichenden Kapelle“ anbietet, aber natürlich ist er auch Ansprechpartner und Seelsorger für entsprechende Sorgen und Bedürfnisse von Passagieren und Messebesucher. Aus dem Kreis der Bediensteten kommen immer wieder Ratsuchende, meist mit privaten Problemen, die sich über seelische Not mal aussprechen wollen und Trost erhoffen von einem Pfarrer, auch wenn sie nicht unbedingt gläubig sind. „Es geht für sie darum, angehört zu werden, auf Verständnis zu stoßen“, wenngleich für ausführliche Erläuterungen meist nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, da die Beschäftigten für ihre Besuche meist nur ihre kurzen Arbeitspausen nutzen. Kleinmann: „ Aber da kommen nun mal Schicksale und Problemfälle zur Sprache, wie sie sich halt unserer modernen, vernetzten und multikultureller Gesellschaft in ungeahnter Vielfalt ergeben können.“ Und: „Da ist mitunter auch mein guter Draht zu Geschäftsführung und Betriebsrat hilfreich.“
Auf den großen Flughäfen sind Pfarrstellen in erster Linie auch zur Betreuung von Flüchtlingen und „Abschiebehäftlingen“ eingerichtet. Hierfür ist Stuttgart zwar nicht unbedingt ein Brennpunkt, aer darum geht es öfter auch hier, ebenso um spontane Hilfe für verzweifelter Zwangsprostituierte aus Südosteuropa. Kleinmann zeigte mehr oder weniger drastische Fälle auf, mit denen er konfrontiert worden ist, öfter nach nächtlichen Anrufen aus der Flughalle. Da geht es auch mal um tagelange Begleitung und Hilfestellung, auch Unterstützung von Menschen mit psychischen Problemen oder von desolaten Passagieren, für die eine Verbindung mit nahen Angehörigen hergestellt werden muss. Wichtig ist Kleinmann zudem, dass sein „ansprechender und recht neutraler“ Andachtsraum immer offen ist und täglich genutzt wird, auch immer wieder von Muslimen zum Gebet.
Wie interessant Person und Thema war, zeigte sich auch darin, dass an diesem Nachmittag auch der ehemalige Dekan und Heilbronner Ruhestandspfarrer Wilhelm Scheytt, bei dem Kleinmann 1987 Vikar in Sulz/Neckar war, gekommen war sowie der Heilbronner Alt-OB Helmut Himmelsbach „als alter Bekannter“ und der 90jährige Heilbronner Alt-Dekan Gerhard Simpfendörfer aus Wüstenrot mit Gattin, die sich auch eine Woche zuvor den Vortrag „unseres ehemaligen Wüstenroter Försters“ Sieghart Brenner angehört hatten.