
Im Deutschhof – die „Jungen Senioren“ (Foto: Rolf Gebhardt)
An die 100 „Junge Senioren“ nahmen das Angebot zum Besuch des Deutschordensmünsters St. Peter und Paul wahr, gehört sie doch zu den markantesten Gebäuden in Heilbronn. Der „Hausherr“, Stadtpfarrer Roland Rossnagel, begann die Vorstellung des Deutschordenskirchenkomplexes im Kleinen Deutschhof, „auf dem wohl ältesten Boden des christlichen Heilbronn“.
Der Blick richtet sich zuerst auf den „Kirchturm“, die Turmkapelle, das Herzstück der Kirche, die im Laufe von mehr als 750 Jahren immer wieder bauliche Veränderungen erfahren hat. Der eigentliche Bau wird auf die Zeit 1225/35 datiert. Bei Renovierungsarbeiten 1994/95 bei der Chorturmkapelle wurden Fundamentreste aus Kalkstein gefunden, die noch älter als die heutige Bausubstanz (Sandstein) sind; bei der urkundlichen Ersterwähnung der Stadt 741 ist von einer Michaelskirche die Rede. Nördlich an den Turm anschließend das Kirchenschiff und südlich (links) ein um 1600 entstandenes eindrucksvolles Deutschherrengebäude (Stein-Kallenfels-Bau) mit direktem Zugang zur Kirche, das heutige Pfarrhaus, Wohn- und Arbeitssitz von Pfarrer Rossnagel.
Wie Rossnagel darlegte, wurde der Deutsche Orden um 1190 im „Heiligen Land“ gegründet und 1198 vom Papst als geistliche Ritterordensgemeinschaft anerkannt. Anfang des 13. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt des Deutschen Ordens von Palästina nach Europa. Und so wurden auch auf dem Areal der heutigen Deutschordenskirche, dem Gelände eines urkundlich erwähnten Königshofes, Ordensniederlassungsgebäude errichtet. Das Gelände war als Reichslehen zu den Grafen von Lauffen gelangt und über Heirat an die Familie von Dürn, deren einer Sohn (Ulrich von Dürn) in den Deutschen Oden eingetreten war, und die darauf eine Kommende stiftete.
Der ersten der heiligen Maria gewidmeten Ordenskirche wurde Mitte des 14. Jahrhunderts ein neuer Kirchenbau angefügt. Als 150 Jahre später diese frühgotische Kirche mit einem spätgotischen Chor erweitert wurde, hieß sie „Kirche zu unserer Lieben Frau“. Als reichsunmittelbare Einrichtung überstand die Deutschordenskirche auch die Einführung der Reformation in Heilbronn. Um 1725 wurde sie barockisiert und der Turm weiter aufgestockt. Nach Auflösung des Deutschen Ordens Anfang des 19.Jahrhunderts,wurde der Sakralbau, inzwischen zum Patrozinium Peter und Paul gewechselt, zur Stadtkirche. Beim Luftangriff am 4. Dezember 1944 wurde auch diese Kirche bis auf die Grundmauern zerstört; weitere Verluste der historischen Barockausstattung erlitt die Kirche im Zuge des Wiederaufbaus. Zu umfänglichen Renovierung kam es 1968/69 und 1994/95.
Wer vor vielleicht 25 Jahren zum letzten Mal die 1977 zum Deutschordensmünster erhobene St. Peter- und Paul-Kirche betreten hatte, ist jetzt überrascht über die Helligkeit (Fußboden und Bankreihen freundlicher) und strukturelle Neugestaltung, die wieder Einblicke in die verschiedenen Bauepochen möglich macht. Die vordem mit Brettern verschalte Kassettendecke zeigt eine wieder frei gelegte und restaurierte Barockdecke (Kreuzrippengewölbe). Eindrucksvoller kommt jetzt im Altarraum der dreiteilige Chorfensterzyklus von Prof. Wilhelm Geyer aus dem Jahr1968 mit ihren biblischen Szenen und Aussagen in den Blick. Dann auf der gegenüberliegenden Seite, auf der Orgelempore, im Westfenster die progressive Glasmalerei von Prof. Ludwig Schaffrath (1969), dessen symbolische Darstellung zu immer wieder neuen Assoziationen anregt. Dann in der Nordwand ein schmales Glasfenster von dem des Schaffrath-Schüler Thomas Bischoff.
Darüber hinaus gibt es viel zu entdecken in dem Komplex des Deutschordensmünsters: die barocke Christusfigur im Chorbogen, das Wandbild an der linken Chorwand von 1380 mit Christus auf der Thronbank, das großformatige Natursteinmosaik des Kreuzwegs, die Marienkapelle mit Elementen aus der barocken Bauphase, die Figuren der Kirchenpatrone, die „Heilbronner Madonna“ (1320) und natürlich der spätromanische Turmchor mit dem reichverzierten maurischen Schlusstein im Kreuzgewölbe.
Für die „Jungen Senioren“ aber wohl am eindrücklichsten: die neue „Doppel-“Orgel, aus französisch-symphonischer Tradition mit hohen musikalischen und technischen Anforderungen entwickelt und 1996 fertig gestellt in der Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert in Kevelaer, mit ca. 3500 Pfeifen, 44 klingenden Registern und vier Transmissionen im Pedal. Der Deutschmünster-Kantor und Orgelsachverständige, Kirchenmusikdirektor Michael Saum, bot gekonnt Musikbeispiel für die gute Kirchen-Akustik, gleich am Anfang mit dem berühmtesten Orgelwerk von Bach (D-Moll-Fuge), und demonstrierte am Spieltisch die Raffinessen der mit einem Setzercomputer für hunderte individuelle Registrierungen ausgestatteten Orgel. Gerne wollen die „Jungen Senioren“ sich einladen lassen (nicht nur) zu Orgelkonzerten im Deutschmünster.