Deutscher Evangelischer Kirchentag vom 3. bis 7. Juni 2015 in Stuttgart. Gerade liegt das über 600 Seiten starke Programmheft vor, das rund 2500 Veranstaltungen aufzeigt. Als „Wegweiser“ durch dieses Riesenangebot des protestantischen Großereignisses machte der Beauftragte der Evangelischen Landeskirche Württemberg für diesen Kirchentag, Pfarrer Wolfgang Kruse, in einer Präsentation im Hans-Rießer-Haus die „Jungen Senioren“ noch neugieriger auf den Stuttgarter Kirchentag. Beim vorigen Kirchentag 2013 in Hamburg hatte Kruse im dortigen Kirchentagsbüro bereits Erfahrungen für eine solche Großorganisation sammeln können. Wolfgang Kruse und seine Frau Anne-Kathrin Kruse hatten ihre beruflichen Anfänge in Heilbronn, bekleideten ehedem auch gemeinsam das Pfarramt in Bad Wimpfen, dann fast zehn Jahre das Pfarramt der deutschen Gemeinden in London; Frau Kruse ist seit 2012 Dekanin des Kirchenbezirks Schwäbisch Hall.
Es ist dies nun der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag. Diese Institution ist eigentlich so alt wie die Bundesrepublik Deutschland. Das Ende der 40er Jahr markierte überall das Bemühen um einen Neuanfang nach dem Schrecken des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs. So wurde die Deutsche Evangelische Woche 1949 in Hannover zum Wurzelgrund des Kirchentags und der pommersche Gutsbesitzer D. Dr. Reinold von Thadden-Triglaff (Mitglied der Bekennenden Kirche) dessen Gründer und erster Präsident (bis 1963). Sein Sohn, der Historiker Prof. Rudolf von Thadden, ist heute noch Ehrenmitglied des Kirchentagspräsidiums. Dem Präsidiumsvorstand gehören an: Prof. Andreas Barner als Kirchentagspräsident Stuttgart 2015 sowie die Züricher Theologieprofessorin Christina Aus der Au (Kirchentagspräsidentin Berlin-Wittenberg 2017) und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (Kirchentagspräsident Dortmund 2019).
Wie Kruse weiter darlegte, fand der erste Kirchentag in Stuttgart bereits 1952 statt – mit der Losung „Wählt das Leben“, 40 000 Dauerteilnehmern und 200 000 bei der „Hauptversammlung“. Der zweite Kirchentag in Stuttgart 1969 mit Präsident Richard Freiherr von Weizsäcker,war unter der Losung „Hungern nach Gerechtigkeit“ ein politischer, ja der politischste (u.a. gegen Atombewaffnung und Apartheid) und stellte Kirchentage vorübergehend etwas in Frage (Evangelikale begründeten „Gemeindetag unter dem Wort“, heute „Christustag“). Kirchentage sahen aber von Anfang an christlichen Glauben verankert zwischen Frömmigkeit und Weltverantwortung. Nach 1969 wurde auch der eingeforderten Laien-Beteiligung mit neuen Formen Rechnung getragen, etwa mit Anwälten des Publikums und Feierabendmahl. Dann 1999 in Stuttgart der 28. Kirchentag mit der Losung „Ihr seid das Salz der Erde“, dem eindrucksvollen „Salzberg“ und 98 000 Dauerteilnehmern, wo erstmals das Kirchentagsgeschehen die ganze Stadt prägte.
Und jetzt der vierte Stuttgarter Kirchentag 2015. Die Losung ist dem Vers 12 von Psalm 90 in Lutherscher Übersetzung entlehnt (Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden): „…. damit wir klug werden“. Zudem gibt es für die über 80 Bibelarbeiten an den einzelnen Tagen noch jeweils andere „kluge“ Bibeltexte. Wieder ist die ganze Stadt einbezogen, diesmal aber nicht das Messegelände, wenngleich ja ein Kirchentag auch eine „evangelische Messe“ ist. Von der Liederhalle über Rotebühlplatz, Marktplatz und Schlossplatz bis Bad Cannstatt mit Kurhaus, Straßenbahnwelt und ehemaligem Güterbahnhof, Cannstatter Wasen (Markt der Möglichkeiten) sowie dem Neckarpark mit Hanns-Martin-Schleyer-Halle, Porsche- und Carl-Benz-Arena reichen die Veranstaltungsorte, bis in einzelne Kirchengemeinden im Umfeld. 200 000 Besucher werden allein am Mittwoch zum „Abend der Begegnung“ in der City erwartet. Dort gibt es drei zentrale Eröffnungsgottesdienste und 480 „Vesperstände“ (auch vom Süddistrikt des Heilbronner Kirchenbezirks) mit Infos aus sieben Regionen. Insgesamt sind rund 100 000 Dauerteilnehmer angemeldet, darunter die Hälfte aktive Teilnehmer.
Wie Kruse ausführte, gibt es drei Hauptpodienreihen (Gesellschaft verantwortet Wirtschaft, Mensch, Technik, Demokratie; Schuld und Versöhnung) sowie eine Unzahl thematischer und geistiger Angebote sowie Zentren (u.a. „Älterwerden“ im Neubau Liederhalle am Berliner Platz), neun Open-Air-Bühnen, Gottesdienste, Konzerte (u.a. Wise Guys), (Kirchen-)Kabaretts und auch ein breites regionales Kulturprogramm. Und schließlich Sonntagmorgen: Schlussgottesdienst auf dem Cannstatter Wasen.