
Pfarrer Ralf Rohrbach-Koop (Foto: Rolf Gebhardt)
„Jenseits von Vorurteilen und Verklärungen, Verzerrung und Verbrechen – was mich am Islam ernsthaft fasziniert: Eine gewagte Offenheit.“ So der Titel des Referats des Untereisesheimer Gemeindepfarrers Ralf Rohrbach-Koop bei den „Jungen Senioren“ im Hans-Rießer-Haus. Er war sich bewusst, dass er mit seinem Versuch einer überwiegend positiven Bewertung des Islam „gegen den Mainstream“, wo in einer Mehrheitsgesellschaft Islamkritik auf offene Ohren stößt, „leicht die Finter verbrennen kann und in die Ecke der Gutmenschen gesteckt werden könnte.“
Rohrbach-Koop, verheiratet mit einer Oberärztin, stammt aus einer frommen Familie im pietistisch-freikirchlichen Umfeld in Nordhessen und hat ein „umfängliches“ Studium der Theologie mit Dialog-Seminaren absolviert. Eng verbunden mit der Basler Mission ist er auch Bezirksbeauftragter für Ökumene, Mission und Entwicklung sowie der evangelische Koordinator der kirchlichen Partnerschaft Heilbronn mit Sabah, einer Provinz des muslimischen Staates Malaysia auf Borneo..
So manche Erfahrung und Erkenntnis mit dem Islam hat Rohrbach-Koop auch im Umgang mit muslimischen Mitbürgern, Nachbarn und Bekannten in seiner Gemeinde gewonnen, aber auch im Stuttgarter Osten und in Hamburg-Wilhelmsdorf – gemäß seiner Devise: “Nicht übereinander reden, sondern miteinander sprechen.” Wer etwa einen Schwiegersohn oder eine Schwiegertochter muslimischen Glaubens habe, werde wohl schnell seine Islamphobie verlieren.
Leicht enttäuscht registrierte Rohrbach-Koop, dass im Auditorium kein einziger Muslim vertreten war. Auf den Hinweis, dass die Schuld nicht bei dem Veranstalter zu suchen sei, zumal der Termin öffentlich angekündigt war, meinte er, dass es bei den Muslimen zweifellos eine Scheu und Schwellenangst gebe, öffentliche und kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Fremdheitsgefühl und Angstbesessenheit sei beiderseits – bei Einheimischen und zugewanderten Muslimen – anzutreffen. Deshalb warb er für ein “kritisch-konstruktives Miteinander von Verbündeten”.
Was Rohrbach-Koop am Islam am meisten beeindruckt, ist “die innere Dynamik der Frömmigkeit – die faszinosa muslimika”, die Hochachtung der heiligen Schrift, die Nähe zu Offenbarungsquellen des Glaubens. In vielen Teilen des Koran sei die Beziehung zur Bibel, zum Juden- und Christentum, nicht zu übersehen, so die Wertschätzung alttestamentarischer Gestalten wie auch von Jesus und Maria, wobei der Islam zwar den Kreuzes- und Erlösertod negiere, der Jungfrauengeburt aber voll vertraue. Und: “Alle drei monotheistischen Religionen bekennen sich zu Gott als den Schöpfer und Erbarmer, sind also gewissermaßen Glaubensgeschwister.” Für uns Christen sei jedoch die Göttlichkeit von Jesus Christus entscheidend – “den Juden ein Ärgernis, den anderen ein Gräuel.”
Gewalt und Verbrechen, die im Namen einer Religion begangen werden, bezeichnete Rohrbach-Koop als Machwerk von Teufel und Hölle. Ehrenmorde seien nicht auf Religion begründet, sondern auf Stammestraditionen. Wer die Rolle der Frau im Islam verurteile, sollte vorher mal Muslimas befragen.
Für Rohrbach-Koop ist jedem Menschen eine Gottesbeziehung angeboren. So sei in muslimischen Ländern jedes Kind von klein auf muslimisch gläubig und wachse ganz selbstverständlich geborgen in diesem den Alltag prägenden und strukturierenden Glauben auf: “Muslime haben ein Mindestgerüst an Frömmigkeit, an das man sich anlehnen kann, das dem Leben Richtung gibt.”
Angesichts der Fülle überwiegend schlechter Nachrichten aus dem islamischen Umfeld meinte Rohrbach-Koop, dass der Islam ähnlich breitgefächert und pluralistisch ist wie das Christentum, das in Deutschland vorwiegende und zunehmend liberal auftrete, aber auch ausgeprägt fromme, bibeltreue, pietistische, evangelikale und sektiererisch-esoterische Ausprägungen habe, und in Afrika und Lateinamerika fänden charismatische und pfingstlerische Kirchen den größten Zulauf.
Angesprochen auf die jüngste Behauptung aus dem politischen Raum, der Islam sei eigentlich keine Religion, sondern eine Ideologie wie etwa Kommunismus oder Nationalsozialismus, weil er nach der Staatsmacht, der islamischen Republik, und gar einer muslimischen Verfassung strebe, sagte Rohrbach-Koop, auch im Nachbeben der Reformation hätten sich ähnliche Tendenzen eingestellt. Er erinnerte an die dogmatisch-gewaltsame Theokratie in Genf unter dem Reformator Calvin, vom Papsttum und der Ketzerverfolgung im Mittelalter ganz abgesehen. Aber auch der Islam sei in der Lage (zu versetzen), Aufklärung und Demokratie anzunehmen und auch zu historisch-kritischer Betrachtung des Koran.